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Meditation zum 1. Advent

29. November 2020 / Neuigkeiten

Advent heißt: Gott kommt in unsere Welt. Es gibt eine eindringliche Stelle im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes:
Ich stehe vor der Tür und klopfe. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.

Ein Bild innigster Gemeinschaft mit Jesus Christus. Das bedeutet uns Christen der Advent. Aber er hat auch noch eine ganz umfassende Dimension: Er überschreitet die Grenzen unserer eigenen Person und vor allem die unseres ganz persönlichen Wohlfühlens. Er bezieht die Welt mit ein, die Sorge für die Welt und für das Wohlergehen aller.

Advent heißt Kommen des Sohnes Gottes und seine Aufnahme bei uns. Da fällt zunächst eine Spannung auf: ER ist doch im Himmel, und wir sind hier auf der Erde. Von Jesus Christus heißt es im Gloria der Messe: „Du sitzest zur Rechten des Vaters.“ Aber das letzte Wort Jesu an seine Jünger und an uns lautet: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“ (Matthäusevangelium). Es gehört zur Größe Gottes, dass er im Himmel und bei uns auf Erden ist. Und in unserem religiösen Leben vollziehen wir diese Spannung mit: Wir glauben, dass er uns nahe ist und die Wege unseres Lebens mit uns geht. Und gleichzeitig bitten wir ihm: Komm!

Ich möchte an einigen Beispielen zeigen, auf welche Weise er kommt und wie wir ihn aufnehmen können. Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums stellt Jesus uns das große Weltgericht am Jüngsten Tag vor Augen: „Der Menschensohn wird in seiner Herrlichkeit kommen und alle Engel mit ihm. Dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zu seiner Linken.“ Dann wird Gericht gehalten: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ Das Evangelium zeigt uns, wie Jesus sich mit den Armen identifiziert: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Was ihr ihnen nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan.“ Das bedeutet, Jesus kommt zu uns in denen, die unsere Hilfe brauchen. Wenn wir helfen, nehmen wir ihn auf; wenn wir abweisend sind, weisen wir ihn ab.

Das Liebesgebot, das Jesus uns aufträgt, ist ganz umfassend. Es meint den Nächsten in der Person dessen, der gerade jetzt meine Hilfe braucht: „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann am ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denar hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.“ Jesus sagt, der Nächste für diesen Mann in Not war „der, der barmherzig an ihm gehandelt hat“ (Lukasevangelium).

Das Liebesgebot schließt auch grenzenlose Vergebungsbereitschaft ein: „Wenn dein Bruder sich sieben Mal gegen dich versündigt und jedes Mal wieder zu dir kommt und sagt: ‚Ich will mich ändern‘, so sollst du ihm vergeben“ (Lukasevangelium).

Die größte Herausforderung ist das Gebot der Feindesliebe: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin!“ (Lukasevangelium). Das wirkt wie eine Zumutung und eine Überforderung. Jesus wollte damit sicher keine ethische Norm aufstellen, sondern unsere Einstellung zum Mitmenschen und unser Verhalten ihm gegenüber grundlegend verändern. Er wollte den Grundsatz „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ aufbrechen und zeigen, wie nur das Gute das Böse überwinden kann.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäusevangelium). Das bedeutet, Jesus kommt in unsere Gemeinschaft hinein, wenn wir in seinem Namen versammelt, das heißt für ihn offen sind. Man kann das auf den Gottesdienst beziehen, den wir miteinander feiern. Aber es gilt auch von unserer Lebensgemeinschaft überhaupt. Im Anderen sollen wir Christus sehen und ihn auf- und annehmen. Dieser Glaube an sein Kommen in unsere Mitte verändert uns von Grund auf. Wir werden offen füreinander und fähig, großmütig und weitherzig miteinander umzugehen.

Jesus kommt zu uns in seinem Wort. Das wird ganz deutlich, wenn im Gottesdienst feierlich das Evangelium verkündet wird. Dann spricht der lebendige Jesus Christus zu uns, und wir sollen seinem Wort unsere Herzen öffnen und sein Wort nicht nur hören, sondern es in unserem täglichen Leben auch tun. Das Wort Gottes soll bei uns wie Same auf guten Boden fallen. Wir sollen es „hören und aufnehmen und Frucht bringen, dreißigfach, ja sechzigfach und hundertfach“ (Markusevangelium). Jesus kommt zu uns aber auch dann, wenn wir still für uns allein in seinem Evangelium lesen und darüber beten. Dann dürfen wir ganz persönlich mit ihm Umgang haben wie mit einem vertrauten Freund.

Ja, Jesus kommt zu mir, wenn ich bete. Der Advent regt uns an, öfter die Stille und das Gebet zu suchen. Normalerweise lenkt uns so viel ab, und wir meinen keine Zeit zu haben. Für unser geistliches Leben aber ist es wichtig, zu einer regelmäßigen und geordneten Gebetsübung zu kommen. Im Gebet erfahren wir die Nähe des Herrn und seine Kraft für unser Leben.
Jesus kommt zu uns wenn wir gemeinsam singen und beten, in der Eucharistie wie in jeder gottesdienstlichen Feier. Als der auferstandene Herr kommt er in unsere Mitte. Sein Leben wird unter uns gegenwärtig, seine Liebe, die er allen Menschen geschenkt hat bis zum Tod am Kreuz. Der Ruf Kyrie eleison (Herr, erbarme dich!) richtet sich an den kommenden Herrn. So huldigte man in alter Zeit Kaisern und Königen. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass Jesus Christus unser Herr und König ist. Ein besonderes Merkmal unserer Gottesdienste muss daher die Freude sein, weil wir mit Christus und miteinander Gemeinschaft haben dürfen. In der Kommunion kommt er zu mir wie auch zu allen Anderen. Er fügt uns zusammen zu einer Gemeinschaft. Er kommt zu mir, und ich nehme ihn auf mit den Worten: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“
Jesus kommt zu mir in meinem ganz persönlichen Sterben. So gesehen, ist mein ganzes Leben wie ein Advent: Leben auf den kommenden Herrn hin. Nach unserem christlichen Glauben ist der Tod nicht Ende, sondern Vollendung; er ist Hinübergang ins Leben Gottes. Christus kommt und holt uns zu sich, „damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Johannesevangelium). Das Sterben kann sehr schwer sein, besonders durch Leiden; man darf es nicht verharmlosen. Aber es bringt uns für immer die Gemeinschaft mit Jesus Christus.


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