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Die Mosaiken in der Laacher Abteikirche

23. November 2022 / Neuigkeiten

Vor allem das Christusmosaik, der Pantokrator in der Hauptapside ist markant und zieht den Blick des Betrachtenden in seinen Bann. Man fühlt sich angeschaut – die Reaktion auf diesen Blick ist unterschiedlich: abwehrend, fasziniert, unsicher …

Diese Art Darstellung Jesu Christi als Pantokrator, Allherrscher, reicht zurück bis in die Spätantike, sie findet sich dann vor allem ab dem 11. Jh. im byzantinisch-ostkirchlichen Raum und ab dem 12. Jh. in den sizilianischen Kirchen (Cefalù, Palermo, Monreale). Unser Laacher Pantokrator zeigt Bezüge zu dem von Monreale. In einer Beschreibung des Abtes Fidelis von Stotzingen (1908) heißt es: „In der Apsidenwölbung thront der segnende Christus als Weltenherr und Weltenheiland. Durch die Wucht seiner Dimensionen beherrscht das Bild das ganze Kircheninnere.“ Die Darstellung vor dem Goldgrund ist erhaben und doch nicht unerreichbar für den, der den Kontakt sucht. Ein älterer Mann sagte einmal, dass er öfter nach Maria Laach fahre und sich dort in die Kirche setze, um sich von dem Christus anschauen zu lassen. Man könnte vielleicht sagen: dieser Christus hat etwas Entgegenkommendes. In seiner linken Hand hält der Herr ein Buch mit den Worten Ego sum via veritas et vita. Die Rechte ist segnend bzw. im Gestus des Lehrens ausgestreckt. Neben dem Haupt in Majuskeln IC XC, Erst- und Schlussbuchstaben von IESOUS CHRISTOS. Umgeben ist das Ganze vom Band der Tierkreiszeichen, das den Kosmos symbolisiert. Unterhalb des Christus, zwischen den Apsidenfenstern, befinden sich die Brustbilder der vier Evangelisten, in Vierpassbögen eingerahmt und ornamental geschmückt. In der erwähnten Beschreibung des Abtes Fidelis heißt es, sie „sollen nicht so sehr figürlich, als dekorativ wirken. In ihrer Symbolik führen sie die im Christusbilde ausgesprochene Idee weiter, indem sie den Weltenheiland und sein Reich auf Erden verkünden.“ In der dritten Zone sind Tiersymbole zu sehen: Phönix, Greif, Pfau und Adler, darstellend die Auferstehung, die das Böse besiegende Kraft, die Ewigkeit und die Macht. Im Mittelfeld befindet sich das Christogramm mit Alpha und Omega. Die Sockelzone ist mit Marmor versehen.

Das Mosaik wurde 1911 geschaffen und greift auf die genannten mittelalterlichen Darstellungen, insbesondere Monreale, zurück, und zwar nach Jahrhunderten. Die Mosaiken in den drei Laacher Apsiden sind etwas Besonderes. Der Laacher Kunsthistoriker P. Adalbert Schippers schreibt in seinem Werk Das Laacher Münster (1928): „Der gewaltige Innenraum der Kirche hat in der von Hoheit und Güte erfüllten Riesenfigur des Welterlösers den beherrschenden Mittelpunkt gefunden.“

Befassen wir uns nun mit der Entstehungsgeschichte. Sie hängt an der Person Kaiser Wilhelms II., der die Benediktiner besonders schätzte – in Jerusalem auf dem Berg Sion ließ er das Benediktinerkloster bauen, in dem auch der Laacher Mitbruder Radbod Commandeur künstlerisch wirkte – und Maria Laach immerhin fünfmal besuchte. Als im Jahr 1892 die Beuroner Benediktiner das alte Kloster Laach wiederbesiedelten, war die schöne Abteikirche ohne Innenausstattung. Kaiser Wilhelm hatte erlaubt, dass in der noch dem Staat gehörigen Kirche katholische Gottesdienste gefeiert werden dürften, hatte allerdings verordnet, dass eine künstlerische Ausgestaltung der Kirche nur mit Erlaubnis der zuständigen preußischen Behörden erfolgen dürfe. Nun hielt sich seit März 1893 der Hauptvertreter der Beuroner Kunstschule, Desiderius Lenz, im Maria Laach auf und arbeitete an Entwürfen für die Ausmalung der Kirche. Die gesamte Kirche samt dem Paradies sollte demnach im Beuroner Stil flächendeckend ausgemalt werden. In der Hauptapsis sollte eine Krönung Mariens zur Darstellung kommen. Der Entwurf musste der Bezirksregierung Koblenz vorgelegt werden. Man hatte Änderungswünsche, vor allem sollte statt der Krönung Mariens eine Majestas Domini dargestellt werden. In der Folge kam es zu weiteren Einwendungen, u. a. durch den Provinzialkonservator Paul Clemen und den Kölner Prälaten Alexander Schnütgen. Man verlangte einschneidende Änderungen, auf die Desiderius Lenz aber nicht einging. Am 5. Juni 1897 äußerte sich der preußische Kultusminister Robert Bosse dahingehend, „dass die Interessen der vaterländischen Denkmalpflege eine Ausmalung der Kirche nicht geboten erscheinen lassen.“ Der Kaiser war wohlwollend zurückhalten, indem er seine Unterstützung für eine Ausmalung in Aussicht stellte, doch dabei anmerkte, dass ihm manches an Lenz‘ Entwurf nicht passend zur Architektur der romanischen Kirche erscheine („die gewählten Stylformen“ trügen „einen zu modernen Charakter“). Die Sache stagnierte. 1899 wurde der von Kaiser Wilhelm gestiftete monumentale Hochaltar geweiht. Inzwischen hatte P. Ludger Rincklake das Kircheninnere untersucht und festgestellt, dass es, bis auf Gewölbe und Apsiden, steinsichtig war (ein barocker Putz wurde später abgeschlagen). Er stellte fest: „Ohne Zweifel ist eine Ausstattung mit Mosaik gegen jede Bemalung vorzuziehen.“ Diese Auffassung setzte sich, gestützt von rheinischen Kunstexperten, durch.

Daraufhin legte P. Paulus Krebs, der die Kirche der Benediktinerinnen zu St. Hildegard/Eibingen ausmalte, Entwürfe im Beuroner Stil vor: in der mittleren Apside die Krönung Mariens, in der südlichen Seitenapside das Bildnis des Herzens Jesu und die zwölf Apostel, in der nördlichen den Crucifixus und darunter die Pieta. Diese Entwürfe fanden wiederum keine Zustimmung.
Nun kam P. Andreas Göser, ebenfalls Beuroner Mönch, zum Zuge und begann 1903 mit Entwurfsarbeiten. Von jetzt an war auch Kaiser Wilhelm in die Planungen regelmäßig eingebunden. Am 2. März 1908 wurde das Ausführungsmodell in Berlin präsentiert. Der Kaiser war der Kunstform des Mosaiks sehr gewogen, imperiale Gedanken spielten dabei sicher auch eine Rolle; er war begeistert von dem Pantokrator in Monreale und wollte etwas Derartiges gern in Maria Laach sehen. Entsprechend ging nun P. Andreas Göser an die Arbeit. Im November 1905 wurden dem Kaiser Modelle präsentiert. Die vorgesehene Marienkrönung entfiel, stattdessen war der Pantokrator vorgesehen; allerding sollte in „Maria Laach“ eine Darstellung Mariens nicht fehlen. So wurde für die nördliche Nebenapsis eine thronende Maria mit dem Jesuskund und die huldigenden Weisen vorgesehen. In der südlichen Nebenapside kam der sog. Gnadenstuhl zur Darstellung. Des Weiteren änderte P. Andreas seinen Entwurf für die Hauptapside (1907), in dem in der Zone unter dem Pantokratorbildnis vier Seraphim vorgesehen waren, dahingehend, dass nun die vier Evangelisten zur Darstellung kommen sollten, was des Kaisers größte Zustimmung fand. Er stimmte nun zu, und am 25. Mai 1908 kam die offizielle Genehmigung zur Ausführung. Als die Kartons fertig waren, erhielt auf Wunsch des Kaisers die Berliner Firma Pahl und Wagner den Auftrag zur Herstellung des Mosaiks für die Hauptapsis. Von April bis Juni 1911 wurden dann in Maria Laach die vorbereiteten Mosaikflächen angebracht.

1914 wurden die Mosaiken in der südlichen Nebenapsis fertiggestellt, und 1918/19 entstanden die in der nördlichen Nebenapsis. Der Künstler P. Andreas Göser kehrte 1912 in sein Heimatkloster Beuron zurück. P. Desiderius Lenz, der Hauptmeister der Beuroner Kunstschule, der ungefähr zeitgleich die Krypta von Montecassino im Stil der Beuroner Kunst ausgestaltet hatte, äußerte völliges Unverständnis darüber, dass sein Mitbruder Andreas Göser sich stilistisch wo weit von der Beuroner Kunstschule entfernt hatte. Von diesem ist zu sagen, dass die Laacher Mosaiken sein bedeutendstes Werk darstellen. Weitere Personen haben dabei ihre Verdienste: Abt Fidelis von Stotzingen, der beharrlich das Projekt betrieb; P. Ludger Rincklake, der beratend zur Seite stand, und schließlich P. Ephraem König sowie Br. Notker Becker und Br. Anno Lehmacher, welche die Umsetzung der zeichnerischen Entwürfe in die Kartons besorgten.

Zum nördlichen Apsismosaik (wir ziehen des vor, obwohl es nach dem südlichen entstand, 1918/19): Dargestellt ist im oberen Teil die Huldigung der Magier aus dem Morgenland. Maria hoheitsvoll thronend mit dem Jesuskind, das die Weltkugel trägt und die Rechte segnend erhoben hat. Rechts der hl. Josef mit dem Lilienstab. Im Zenit der Stern von Bethlehem. Darunter Rankenwerk mit Vögelchen. In den Ranken 11 Medaillons mit Gestalten des Alten Testaments: David, Jojachin, Serubbabel, Jakob (Vater Josefs) – Jakob der Patriarch, Juda, Jesse – Adam, Henoch, Noah, Abraham. Symbolisiert wird der Stammbaum Jesu Christi (vgl. Mt 1 und Lk 3). Jesus stammt dem Fleische nach aus Davids Geschlecht bzw. er stammt vom ersten Menschen Adam ab.

Nun zum Mosaik der südlichen Seitenapside, 1914 in der Karwoche vollendet. Beginnen wir mit der unteren Zone. Hier sieht man 7 Gestalten, in der Mitte Johannes d. T. mit dem Gotteslamm; links Mose mit den Gesetzestafeln und dem Stab mit der Schlange, König Melchisedek mit Brot und Wein, Adam mit Abel; rechts König David mit der Harfe, dann Abraham mit Isaak, Messer und Holzbündel weisen auf die „Opferung“ hin, und Noah mit der Taube und der angedeuteten Arche. Alle sind sie ausgezeichnet durch einen blauen Nimbus.
Nun das Bild darüber. Es zeigt den sog. Gnadenstuhl, seit dem 12. Jh. Motiv in der christlichen Kunst: Gottvater sitzend auf einem Thron, er hält vor sich das Kreuz mit dem gekreuzigten Christus, über diesem schwebt die Taube als Symbol der Hl. Geistes. Umgeben ist die Trinität von einer Mandorla. Zu Füßen personifiziert Sonne und Mond. Links vom Betrachter aus gesehen steht eine Frau mit Siegesfahne und Kelch, auch diese hat den blauen Nimbus, sie symbolisiert die Ekklesia, die (triumphierende) Kirche. Auf der gegenüber liegenden Seite ist eine zweite Frauengestalt zu sehen. Vor allem fällt auf, dass ihre Augen verbunden sind. Sie stützt sich auf eine Lanze, die unten angebrochen ist. In der Hand hält sie ein Schriftband, auf dem ein Zitat aus dem Johannesevangelium steht (19,7): Nos legem habemus et secundum legem debet mori (Wir haben ein Gesetz und nach diesem Gesetz muss er sterben). Die beiden Frauen stehen für die Kirche und die Synagoge. Die Aussage ist, dass die Synagoge/die Juden Jesus Christus nicht als den Messias erkennen. Aber nun kommt noch etwas Schwerwiegendes hinzu – man muss auf den Zusammenhang mit dem Gnadenstuhl und insbes. dem gekreuzigten Christus achten –, durch das Zitat auf dem Spruchband und die zerbrochene Lanze ausgedrückt: „die Juden“ haben nicht nur den Messias Jesus nicht erkannt, sie sind auch schuld an seinem Tod, sie sind Gottesmörder, wie man christlicherseits früher sagte, was schlimmste Folgen hatte. Bis in unsere Zeit hinein gibt es diese Aussage. Hier an dieser Stelle ist sie für den Beginn des 20. Jhs. belegt. Bis zur Liturgiereform des 2. Vat. Konzils war die gottesdienstliche Sprache hier problematisch, wie man an den Großen Fürbitten des Karfreitags erkennen kann. Da wurde gebetet „für die ungläubigen Juden – pro pérfidis Judaeis“. Heute heißt es: „Lasst uns beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.“

Die Bibelwissenschaft hat längst geklärt, dass es der römische Präfekt Pontius Pilatus war, der über Jesus das Todesurteil fällte und ihn kreuzigen ließ, keineswegs „die Juden“. Die personifizierte Synagoge im Apsismosaik ist also faktisch judenfeindlich. So war das Denken in Kirche und Gesellschaft lange Zeit und ist bis heute nicht ganz überwunden. Immer wieder bricht Antisemitismus bzw. Antijudaismus, auch gefährlich, durch. Die Darstellung hier in Maria Laach fordert somit heraus darüber nachzudenken, welchen Beitrag man leisten könnte, damit dies endgültig ein Ende hat.

B. Müntnich OSB anlässlich einer Betrachtung vor Ort

Lit.:
Hubert Krins, Die Mosaiken in der Abteikirche Maria Laach, in: StMGB 131, 2020, 513-560
Marie-Theres Wacker, Ecclesia und Synagoga im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, Münster 2018
Stefan K. Langenbahn, „Synagoga“ und „Ecclesia“ in der Abteikirche. Vom Schmähbild zum Mahnmal und zum Symbol des Dialogs, in: Klosterzeitung Maria Laach 61, 21-24


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