Aus Kloster & Konvent

Meine Laacher Zeit von 1939 - 1944 (Teil 2)

18. August 2022 / Aus Kloster & Konvent

Erinnerungen von Karl Hans Heuft

In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts war das Kloster der Benediktiner Maria Laach für Eifler Verhältnisse einer der größten und vielseitigsten Wirtschafts- und Ausbildungsbetriebe der Region. Im Frühjahr 1939 hatten meine Eltern, nach einer Empfehlung des Gewerbeoberlehrers Hans Degen aus Burgbrohl, sich für mich in der anerkannten Lehrwerkstätte des Klosters, um eine Lehrstelle als Maschinenschlosser bemüht. Nach praktischen und theoretischen Prüfungen durch den Maschinenbaumeister Bruder Sebastian Vankann im Herbst des gleichen Jahres hatte ich das Glück, unter 3 weiteren Bewerbern als Lehrling für den Beruf des Maschinenschlossers angenommen zu werden.
Vor den Segen einer guten Berufsausbildung hatten die Behörden für Jungen zwischen 14 und 18 Jahren eine einjährige Landwirtschaftshilfe in einem anerkannten Landwirtschaftsbetrieb und für Mädchen ein hauswirtschaftliches Pflichtjahr in einem kinderreichen Haushalt eingeführt. Am 8.April 1940 begann ich mit meinem landwirtschaftlichen Jahr in der Ökonomie des Klosters. Heute weiß ich, geschadet hat es mir nicht. Fast tat es mir leid als ich wegen eines zum Militärdienst einberufenen Gesellen der Schlosserei, bereits nach 6 Monaten die bei Arbeiten rund um den See geschlossene Freundschaften verlassen musste.
So begann ich, an Stelle des aus der Bau- und Kunstschmiede abberufenen Gesellen, für ein halbes Jahr die nicht vorgesehene Tätigkeit bei dem Kunstschmiedemeister Bruder Arnold Giershausen. Ein sehr frommer, väterlicher Lehrmeister, Angehöriger einer angesehenen Kölner Goldschmiedefamilie, der den 14-jährigen Lehrling geduldig an die Arbeit am Schmiedefeuer heranführte. So war ich nach knapp drei Monaten in der glücklichen Lage, meine Eltern zu Weihnachten mit einem selbst gefertigten dreiarmigen Kerzenleuchter zu überraschen. Vorher begegnete ich, anläßlich einer kleinen Präsentation unserer Arbeiten, dem obersten Dienstherrn aller Handwerker, Prior Pater Theodor Bogler. Als ehemaliger Weltkriegsoffizier fand ich ihn ebenso unnahbar – um nicht zu sagen furchterregend – wie auch vorher den ehemaligen Weltkriegsoffizier Pater Beda, Chef der Ökonomie. Unvergessen aber auch, als ich gerade 18-jährig zum Militärdienst einberufen wurde, Pater Theodors fast väterliche Verabschiedung – mit seinem in jede Soldatentasche passenden Büchlein – “Briefe an einen jungen Soldaten”.
Die Tätigkeit in der Kunstschmiede bescherte mir eine bis in die heutigen Tage sichtbare, aber nicht greifbare, Kunstschmiedearbeit. In den Wintertagen der Jahre 1940/41 überraschte mich mein Meister Bruder Arnold mit der Frage, ob ich mich zu Hause schon mal mit Laubsägearbeiten beschäftigt hätte. Nach einigen gezielten Fragen zum Thema Laubsäge und deren Handhabung, betraute er mich mit der Anfertigung eines Wetterhahns für die Kirchturmspitze der St. Nikolauskapelle. Hierzu hatte er den Hahn im Maßstab 1:1 auf Papier aufgezeichnet, den ich nach seinen Anweisungen auf eine ca. 1,5 mm dicke Kupferplatte klebte. Fortan durfte ich in des Meisters warmen Büro sitzen und mit Metallsägelchen, eingespannt in einer Laubsäge, die Konturen eines zukünftigen Wetterhahn erarbeiten. War bisher Balsa- oder Sperrholz mein leicht und schnell zu bearbeitendes Bastelmaterial, ging das bei Kupferblech unvergleichlich schwerer und vor allem wesentlich langsamer. Die vermeintliche Ungeduld des Meisters im Rücken erzeugte mehr Druck auf mein Sägelchen und schon wieder hing, nach des Meisters Meinung, ein in den Zeiten schwer beschaifbares Sägeichen in zwei Teilen in der Laubsäge. “Karl Hans, wann dat esu weiterjeht sein ming (teuere) Sägeichen flott am Eng!“ Eine Rüge, entschärft auf Kölsch, so erlebte ich meinen verehrten Meister Bruder Arnold nicht nur einmal.. Nach gefühlter Ewigkeit war die Sägearbeit beendet und der stolze Hahnenschweif mußte durch Sicken stabilisiert werden.
War Sicken für den Lehrling noch ein Fremdwort, wurde es fast mit der Aussprache schwierig, als sein Meister vom anschließenden “Zisilieren“ sprach. Womit und wie diese sehr alte Technik funktioniert, erlebte ich in den kommenden Tagen als Handlanger meines Kunst- und Goldschmiedemeisters. Im regelmäßigen Wechsel kamen Hammer, Punzen, Stichel, Feilen und Meißel zum Einsatz. Von Zeit zu Zeit musste ich das werdende Kunstwerk über dem Schmiedefeuer entspannen. Der Veredlungsprozess verlor an Schwung, als am Nachmittag des zweiten Tages Bruder Arnold die weitere Verschönerung des, nur aus der Ferne zu betrachtenden Kunstwerks, bis zum Abend für beendet erklärte. Mir war es recht, zumal ich mir schon mehrmals am heißen Kupferblech die Finger verbrannt hatte. Zwischenzeitlich hatte, der im dritten Lehrjahr stehende Johannes Degen aus Wehr, für den Hahn eine wettergeschützte Dreheinrichtung mit massiver Halterung für den zukünftigen luftigen Standort angefertigt.
Als die ersten Frühlingstage den bitteren Winter 1940/41 beendeten, präsentierten wir, mit unseren Meistern die Brüder Arnold und Sebastian, vor der Werkstatt den zum Aufsetzen bereiten Wetterhahn.
Zu meiner Überraschung wurde ich anschließend dazu bestimmt, unser Werk auf der Kirchturmsspitze der St. Nikolauskapelle zu installieren. Drei lange Leitern benötigten die Maurer, um mir den Aufstieg zur Turmspitze zu ermöglichen. Anschließend hieß mich Bruder Arnold, in seinem allseits bekannten Gottvertrauen, den Wetterhahn auf der ihm zugedachten Turmspitze zu installieren. Diesen persönlichen Glücksmoment hat Bruder Sebastian mit seiner Laica festgehalten.

80 Jahre später hat Walter Müller in seinem Buch, Das Laacher Geläut und weitere Glocken in der Benediktinerabtei, ein kurzes Kapitel den Kirchturmshähnen der Abtei gewidmet. Darin beweisst er, anhand einer Teleaufnahme des Kirchturmshahns der Nikolauskapelle, dass mein damaliger Hahn heute noch den Bewohnern und Gästen des Klosters zeigt, woher der Wind weht.

Anmerkung zu “einer der größten Ausbildungsbetriebe.”
Es wurden ausgebildet: Maschinenschlosser u. Kunstschmiede, Schreiner, Elektriker, Maurer, Gärtner, Fotografen, Anstreicher, Buchbinder, Steinmetz, Buchhalter und natürlich am meisten, Landwirte sog. Eleven.

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