Rede zur Ausstellungseröffnung, 8. Februar 2023
10. Februar 2023 / Neuigkeiten
Rede von Abt em. Benedikt zur Ausstellungseröffnung, 8.2.23, Heidelberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrter, lieber Romani Rose,
sehr geehrter, lieber Herr Lautenschläger,
wir – das meint Bruder Lukas, seine beiden Mitarbeiterinnen Lia Brühl und Theresia Dopke und mich und auch unser Kloster Maria Laach – freuen uns schon lange auf den heutigen Abend, die Ausstellungseröffnung hier im Dokumentations- und Kulturzentrum mit Bildern von Br. Lukas Ruegenberg zum Thema „Romasiedlung Habesch“ bei Secovce im Osten der Slowakei. Den Begriff Romasiedlung möchte ich aber näher erörtern: Es geht weniger um den Ort als vielmehr um die Menschen, die Mitmenschen, die dort leben – das können Sie aus den Bildern ersehen. Die Bilder zeigen Herz, so möchte ich es ausdrücken, das Herz des Malenden, das für die Menschen im Habesch schlägt. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung vor Jahren, als Br. Lukas gefragt wurde, woher ihm die Energie für seine soziale, mitmenschliche Arbeit zuwachse. „Man muss die Menschen lieben“, war die schlichte Antwort, die alles sagt, in diesem konkreten Fall und überhaupt für unser menschliches Miteinander. Damit wären wir jetzt bereits mitten im Geschehen des heutigen Abends.
Lassen Sie mich zuerst etwas zu unserem Br. Lukas sagen, mit wenigen Worten. Näher kann man sich kundig machen in seiner Autobiografie „Bruder Lukas. Mönch, Maler, Sozialarbeiter“, erschienen 2018 anlässlich seines 90. Geburtstags. Ja tatsächlich, er ist Jahrgang 1928 und wird, so Gott will, in diesem Sommer seinen 95. feiern. Ich zitiere jetzt nur die Stichworte auf dem rückwärtigen Buchdeckel des genannten Werkes: „Kindheit in der NS-Zeit – Kriegseinsatz als Flakhelfer – Leben im zerstörten Berlin – Studium an der Berliner Kunstakademie – Eintritt ins Kloster Maria Laach – Aufbruch und Krise im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil – Arbeit als Sozialarbeiter in Köln [Lassen Sie mich das erläutern: Als wir vergangenen Sommer im Bilderstöckchen Br. Lukas‘ 50jähriges Köln-Jubiläum feierten, erzählte er, wie er damals im Kölner sozialen Brennpunkt Springborn seine Sozialarbeiter-Tätigkeit begann. Einige Jahre später, als er dann ins Bilderstöckchen wechselte, waren die Jugendlichen dort, heute selber teils schon Uropas und Uromas, begreiflicherweise recht reserviert. Da kommt ein Pfarrer, sagten sie, der soll uns hier eine Disko bauen und dann kann er wieder verschwinden. Die Disko entstand, zusammen mit den Jugendlichen, und „Luki“ ist noch immer dort, geliebt und verehrt. Aber wieder zum Buch:] seine Bilderbücher und Kunstwerke – die gemeinsamen Hilfsprojekte in Polen, der Ukraine und der Slowakei.“
Das ist ganz kurz und knapp unser Br. Lukas und sein Werk, ein Lebenswerk, so darf man ruhig sagen. Aus meiner vorhin gemachten Nebenbemerkung wird klar, was seine Persönlichkeit kennzeichnet: Ausdauer aus Überzeugung und Hingabe. Er gibt nicht auf – er gibt den Menschen nicht auf. Es gab eine Zeit, da wollte er im Habesch tatsächlich nicht mehr weitermachen, massive Rückschläge und menschliche Enttäuschungen waren die Gründe, auch Überforderung bei seinen Helfern. Dann waren wir wieder dort, es sollte das letzte Mal sein, sozusagen Abschied: Uns umringten Kinder mit strahlenden Gesichtern und leuchtenden Augen, die uns beim Namen nannten; wir waren wieder in einigen der erbärmlichen Unterkünfte; wir erlebten wieder einmal den Habesch – und dann: „Doch, es ist richtig, wir müssen weitermachen!“ Br. Lukas gibt nie einen Menschen auf.
Die von mir erwähnte Episode des Kölner Anfangs offenbart aber noch mehr. Lukas ist unvorstellbar als Einzelperson. Es gibt ihn nur im Verbund, will sagen in Gemeinschaft, in Freundschaft. Er macht einfach nichts allein (Sie verstehen, wie ich das meine), er macht es immer zusammen, im „Wir“. Das ist das stille Geheimnis seines Erfolgs. Seine Projekte sind immer Gemeinschaftsprojekte (nebenbei gesagt: anders hätte es auch nicht geklappt, denn Lukas ist kein Organisator, aber er ist die „Seele“, er beseelt), er kann, so möchte ich einmal sagen, mit sanfter Aufdringlichkeit und Hartnäckigkeit Menschen gewinnen („Dem kann man einfach nicht nein sagen“, vertraute mir mal jemand an). Ja, er ist, mit Jesu Wort, ein Menschenfischer. Wenn er nicht mehr weiterweiß – auch was das liebe, doch so notwendige Geld angeht –, dann bittet er demütig-selbstbewusst für seine Klienten und Projekte und ihm wird geholfen (Namen nenne ich nicht, aber es gibt da viel Grund zur Dankbarkeit!). Irgendwie hat es immer geklappt, mit Gottes Hilfe, sagen wir im Kloster. Gott hilft immer, wenn wir nicht „Ich“ sagen.
Bleiben wir ein wenig bei Gott. Das erste Wort des Titels der Lukas-Autobiografie lautet „Mönch“. Br. Lukas ist ein Gottesmann – völlig unaufdringlich, er ist es einfach. Als wir damals im Habesch anfingen, kam Lukas schon bald mit einer Idee: Wir bauen hier eine Kapelle, sagte er. Wir anderen schauten uns an: Was soll denn hier mitten in all dem Elend eine Kapelle? Da muss doch zuerst etwas anderes her. Er gab nicht nach, und wir bauten – natürlich, was auch sonst? Wir bauten die Kapelle mit Hilfe der Roma, versteht sich, Roma-Handwerker führten gekonnt das Mauerwerk auf, andere fungierten als Hilfsarbeiter, alle waren sie, teils skeptisch, sehr interessiert. Es war ein regelrechtes Spektakel, aber ein schönes. Br. Lukas malte dann die Kapelle aus (eines der ausgestellten Gemälde zeigt das) und die Kinder durften abschließend ihren Handabdruck auf das Hauptgemälde mit der Muttergottes geben. Den schönsten Kommentar zu der ganzen Aktion gaben dann unsere Habesch-Roma selber: „Wir sind das einzige Romadorf, das eine Kirche hat.“ Der erste Gottesdienst darin war die Taufe von Deniska, und Br. Lukas war Taufpate.
Das sind einige Impressionen, unvergesslich. Lassen Sie mich noch etwas zu den Gemälden sagen. Es gab eine Zeit – in Köln Ende der 1960er Jahre –, da konnte Br. Lukas nicht malen; erlebtes menschliches Leid lähmte ihm Hand und Herz. Schließlich, nach Jahren ging es wieder, verhalten, möchte ich sagen, irgendwie zurückhaltend. Dann begannen die Hilfstransporte, nach Polen und in die Ukraine – und mehr und mehr stellten sich die Farben ein, sie kamen, meine ich, jetzt erst so richtig zum Durchbruch. Und dann im Habesch: immer mehr kamen Menschen zur Darstellung, die, auch wenn sie traurig sind, doch auch in ihrem Elend zuversichtliche, ja oft sogar frohe Gesichter haben. Es sind die Menschen, denen er begegnete, die Br. Lukas ganz zum Maler werden ließen. So verstehe ich es. Ohne Leinwand und Pinsel, ohne Farben – ohne Menschen kann Br. Lukas einfach nicht sein.
Was tun wir im Habesch? Wir versuchen, ein wenig zu helfen und Not zu lindern, mit Sachspenden und auch strukturell, damit die Hilfe nachhaltig wird. Es ist uns gelungen, die Caritas des Erzbistums Kosice zu gewinnen, sodass nun ein Sozialarbeiter-Team im Habesch tätig sein kann, welches wir nach Kräften unterstützen. Was dieses kleine Team dort leistet, ist bewundernswert. Sie, lieber Romani Rose, haben den Bericht der Gruppe bei der Ausstellung in Maria Laach im vergangenen Mai gehört. Michael Lingenthal, einer unserer wirksamsten Helfer, lässt die Politiker in der Slowakei nicht in Ruhe, was sehr weitsichtig und unbedingt notwendig ist, damit alle Hilfe nicht doch letztendlich wieder ins Leere läuft. Wenn ich sage: wir versuchen zu helfen, dann verstehen wir uns dabei nicht primär als die Gebenden, sondern genauso als Empfangende. Für mich persönlich ist der Habesch eine der wichtigsten Erfahrungen meines Lebens. Im Kloster leben wir ja doch relativ behütet. Der Habesch – das heißt die Menschen dort, die Roma – wie vorher schon das Kölner Bilderstöckchen, haben meinen Horizont erheblich erweitert, wofür ich unendlich dankbar bin. „Und jeder gibt und nimmt zugleich“, heißt es in einem Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer. Soviel zu unserer Arbeit.
Heute nun eröffnen wir hier im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma die Ausstellung der Gemälde vom Habesch. Sie, lieber Romani Rose, haben diesen Wunsch geäußert, nachdem Sie im Mai vergangenen Jahres bei der Ausstellung in Maria Laach gesprochen hatten. Das ehrt und freut uns, wir sehen es als Anerkennung, mehr noch: als Auszeichnung – für Br. Lukas und Maria Laach. Wir danken Ihnen sehr! Es ist schön, Sie zum Freund haben zu dürfen.
Doch möchte ich nicht schließen, ohne Johannes Kaiser und Jens Schlecht zu danken. Die beiden haben die Gemälde in Maria Laach abgeholt. Das ging vonstatten in wohltuend menschlicher Atmosphäre; besonders schön war dabei das Interesse, das Sie für Maria Laach insgesamt und für das Klosterleben insbesondere bekundeten. Herzlichen Dank! Ihnen, meine Damen und Herren, uns allen wünsche ich einen schönen, erfüllten Abend.
Heidelberg, 8.2.2023