Rückschau

Nutzungsmöglichkeiten von Kirchenräumen finden

22. Oktober 2015 / Rückschau

Unter dem Motto „Wie mit Kirchenräumen umgehen? Perspektiven für Sakralräume in heutiger Gesellschaft“ stand die diesjährigen Tagung des Abt-Herwegen-Instituts in der Aula des Klosters Maria Laach. Überall in Deutschland werden Kirchen geschlossen, abgerissen oder einer neuen Aufgabe zugeführt.

(von links) Professor Dr. Werner Weidenfeld, Pater Anselm Rosenthal OSB, Dr. Holger Dörnemann, Dr. Detlef Jankowski, Professor Dr. Martin Klöckner, Dr. Kim de Wildt, Professor Dr. Benedikt Kranemann, Prior-Administrator P. Dr. Albert Sieger OSB, Professor DDr. Thomas Sternberg und Altabt Dr. Pius Engelbert OSB Prior-Administrator P. Dr. Albert Sieger OSB erinnerte in seiner Begrüßung an das Wort eines Theologen, „es scheint, dass wir zu viele Kirchen besitzen, oder dass zu wenige sie benötigen“ und merkte an, dass auch Nichtglaubende den Wegfall eines Kirchenraums bedauern, „denn eine Kirche, das ist mehr.“ Ganz in diesem Sinne betonte Professor Dr. Werner Weidenfeld, Vorsitzender des Abt-Herwegen-Instituts: „Der Glaube, das ist mehr als die Zustimmung zu dogmatischen Sätzen. Glaube ist auch eine sinnliche Erfahrung, und für diese transzendente Erfahrung braucht es einen Ort. Der Raum der Liturgie bietet eine Andersheit, die mich packt. Die meisten Menschen werden still, wenn sie eine Kirche betreten. Viele sind heute auf der Suche nach Orientierung. Gut, dass wir Kirchenräume finden.“

Im Anschluss stellte Professor Dr. Martin Klöckner, Fribourg, die erste Referentin des Tages Dr. Kim de Wildt vor. Die holländische Theologin ist zurzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn tätig. In Maria Laach sprach sie über den Kirchenraum und die säkulare Gesellschaft. Bei der Diskussion um die Umnutzung von Kirchenräumen, sei es in der evangelischen wie der katholischen Kirche zu einigen Schieflagen gekommen. Die liturgische Verwendung des Kirchenraums sei nur eine Option, meinte Kim de Wildt und stellte pragmatisch fest: „Wenn wir die Räumlichkeiten für andere Funktionen öffnen, können wir die Kirchen erhalten.“ Kirchen stiften auch Identität, wie etwa der Dom für Köln, sie sind Anziehungspunkte für Touristen. Leider reiße die Institution Kirche ungenutzte Kirchen lieber ab, als sie ungenutzt zu lassen. Dr. Kim de Wildt bedauerte eine Minderachtung der kirchlichen Bauwerke, der Kunst und der materiellen Seite des Glaubens: „In der Theologie gibt es keine wirkliche Hochschätzung der Bauwerke. Die Kirche zieht sich aus den Kirchenräumen zurück, wo das Interesse an den Kirchenräumen zunimmt. Die Diskussion wird von Architekten, Kunsthistorikern und Lobbyisten bestimmt. Ohne die Theologie aber steht der religiöse und liturgische Wert des Sakralraums auf dem Spiel.“

Am Nachmittag referierte DDr. Thomas Sternberg MdL aus Münster über den Kirchenraum und die säkulare Gesellschaft aus kulturpolitischer Perspektive. Einerseits nimmt die Zahl der Gläubigen ab, andererseits ist die Kirche in Deutschland immer noch der zweitgrößte Kulturakteur. Thomas Sternberg: „Ist es ein Zeichen einer absterbenden Kirche“, dass heute viele Sakralräume zu Galerien, Kletterkirchen, Supermärkten, Diskos oder Grabkirchen, sogenannte Kolumbarien, umfunktioniert werden? Professor DDr. Thomas Sternberg: „Wir dürfen die Diskussion nicht auf den Abriss und die Umnutzung beschränken, denn die Kirche hat einen anderen Auftrag.“

Beim dritten Vortrag verdeutlichte Dr. Holger Dörnemann, Bonn, seine Ausführungen zum Kirchenraum als einem „herausgehobenen Raum, in dem das Heilige erfahrbar wird“ am Beispiel der Laacher Basilika. Unabhängig von Liturgie könnten bereits durch das Angebot eines „anderen Ortes“ Fragen nach dem „Wovonher und Woraufhin – dem Sinn evoziert und offen gehalten werden.“

Bei der abschließenden von Professor Dr. Benedikt Kranemann, Erfurt, moderierten Zusammenfassung wurde Kirchen als Lernorte des Glaubens definiert. Professor DDr. Thomas Sternberg: „Menschen, die sonst nichts mit Religion zu tun haben, zünden in Kirchen Kerzen an. Es gibt eine neue Liebe zum Körperlichen, zum Analogen“, im Gegensatz zum Digitalen eine echte Leib- und Raumerfahrung. Professor Dr. Benedikt Kranemann resümierte: „Es ist ein ganz großes Thema für Kirche und Gesellschaft. Heute wurde deutlich, vor welcher Herausforderung wir stehen. Wie bekommt man die Räume zum Sprechen? Mit dem vorhandenen großen Interesse am Materiellen von Religion und Glauben hatten wir in der Theologie der 80iger und 90iger Jahre nicht gerechnet. Der Blick auf Kirche und Liturgie hat sich verändert.“ In diesem veränderten Kontext gelte es, nach Nutzungsmöglichkeiten für Kirchenräume zu suchen.

Bericht: E.T. Müller, Medienbüro Burgbrohl


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